Erziehungsmethoden
Seht, ich mache alles neu.
Offenbarung 21,5
Der Jungschar sei Dank. Dem Jungscharlager sei Dank.
Jetzt versuche ich doch tatsächlich schon, meine Mitbewohner, diese Ferkel, mit Jungscharmethoden zu erziehen.
Tagelang, wochenlang stapelt sich in unserer Wohnung der Müll. Und wenn ich sage "Wohnung", meine ich die ganze Wohnung, nicht nur die Küche. Nein, die Müllboxen - wir trennen unseren Müll in halbdurchsichtigen Boxen und einen Mistkübel - stehen in der Küche und im Vorraum, gestopft voll. Und das nicht einmal hundertprozentig mit den richtigen Inhalten. Da liegt Plastik auf Papier und wieder auf Plastik. Dazwischen stecken Dosendeckel und abgebrochene Besenstiele. In der Küche liegt irgendwo Bruchglas herum.
Da meine Aufgabe diese Woche die Müllentsorgung war und letztes Mal die Mitbewohnerin dran war, die sich gerade für ein halbes Jahr nach Spanien begeben hat und deswegen ihren Verpflichtungen nicht nachgehen kann, haben sich der Hase und ich um die Müllberge gekümmert. Nachdem wir entdeckt hatten, wie es um die Trennmoral in der WG steht, waren wir schon ziemlich sauer.
Unser Lösungsversuch sieht folgendermaßen aus: Wir haben auf drei A3-Blättern, von denen mir der Ex-Hauptmieter einen ganzen Karton hinterlassen hat und die ich gar nicht so schnell an die Architekturstudenten in meinem Umfeld verschenken kann, unser "kleines Müll-Einmaleins" niedergeschrieben. Da sind jetzt die wichtigsten Mülltrennregeln und -hinweise verewigt.
Wir fühlten uns dabei schon sehr an die jährlichen Jungscharsommerlager erinnert. Dort war es jedes Jahr Brauch, am Anfang ein Plakat mit den "Lagerregeln" zusammenzustellen.
Und um das Ganze pädagogisch wertvoll zu gestalten, findet sich kein einziger negativ formulierter Satz darin. ;) Das macht allerdings durchaus Sinn. Unser Hirn ist, da es in Bildern "denkt", nämlich nicht fähig, die Wörter "nein" oder "nicht" umzusetzen. Ein Beispiel: Wenn ich sage "Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten!", so haben Sie sofort einen rosaroten Dickhäuter vor ihrem geistigen Auge, oder? ;)
Das ist also der Grund, warum ich Pädagogik studiere: Um meine Mitbewohner zu erziehen.
Der zweite Versuch ist übrigens, sie endlich dazu zu bringen, nicht mehr in ihren Zimmern zu rauchen. Das tun sie zwar am offenen Fenster, aber dank dem Luftzug zieht es die verpestete Luft doch in die Wohnung. Das führt dazu, dass die frisch gewaschene Kleidung, die im Vorraum zum Trocknen auf dem Wäscheständer hängt, eigentlich sofort wieder einen Waschgang vertragen könnte, weil sie stinkt, als wäre ich damit in einem verrauchten Club gewesen. Der Versuch: ein "Raucherzone"-Schild an der Klopfbalkontür.
kommentieren
Wenn ich überlege, dann fällt mir von allen WGs, die ich kenne, lediglich eine einzige ein, die dieses Problem nicht hatten. Mittlerweile wohnt fast niemand meiner Freunde und Bekannten mehr in einer WG (außer der besagten Ausnahme!) und ich glaube, dies liegt eben an diesen Dingen: leerer Kühlschrank, Käse nicht eingewickelt, daher steinhart, Aufschnitt: dito, volle Müllbeutel stapeln sich, Wäsche verfärbt e.t.c.
Wenn man mal darüber nachdenkt, dass die Art zu Wohnen letztendlich von nicht eingewickeltem Käse abhängt, ist das wirklich merkwürdig. Vor allem, weil fast alle ihre WG-Zeiten als Zeiten erlebt haben, in denen immer etwas los war und es eigentlich Spaß gemacht hat. Aber wie gesagt, die Sache mit dem Käse...
Prinzipiell ist weder das Essen noch die Wäsche das Problem. Das wird bei uns getrennt gehandhabt. Wir sind - für unser Empfinden - zu viele WG-Bewohner (5 exklusive meines Freundes, der doch viel Zeit bei mir verbringt), um nicht getrennte Kühlschrankfächer beziehungsweise getrennte Waschvorgänge zu haben.
Es ist wirklich rein das Sauberkeitsproblem, das uns solche Schwierigkeiten bereitet. Von nicht getrenntem Müll über ein schmutziges Badezimmer bis hin zu nicht gespülten Pfannen und einer dreckigen Küche.
|
|